Werther. Viele Bürger sind aufgeschreckt, in der Redaktion des Haller Kreisblatts gehen eine Reihe von Anrufen ein: Ein Hubschrauber kreist über den Norden Werthers, schon seit über einer Stunde, fliegt extrem tief, hat die Scheinwerfer voll eingeschaltet, steht fast in der Luft. Ganz offenkundig sucht er etwas, aber was? Christoph 13 ist es nicht, auch nicht der kleine Helikopter, der die Überlandleitungen kontrolliert. Es ist ein großes, altes Modell in Tarnfarbe, beschriftet mit den Buchstaben SAR.
Es ist der Such- und RETTUNGSDIENST – Search and Rescue – der Bundeswehr. Er fahndet nach einem Notsignal, das am frühen Morgen durch eine Antenne oder einen Satelliten aufgefangen wurde und offenkundig aus Werther stammt. „Zunächst mussten wir von einem abgestürzten Flugzeug ausgehen", erläutert Hubschrauberpilot Major Marcus Preuß.
Alarmiert von der zuständigen Rettungsleitstelle in Münster, bricht er um 7.30 Uhr mit seiner Besatzung vom Fliegerhorst Nörvenich nahe Düren auf – ausgestattet mit einem Peilgerät, um das Notsignal zu orten. Über Espelkamp („Nach groben Koordinaten sollte der Ton zunächst von dort kommen") und Bückeburg („Zum Sprit fassen") geht es nach Werther.
Die erste Feststellung sorgt für Erleichterung: Ein Flugzeugabsturz ist es nicht, weder einer militärischen noch einer zivilen Maschine. „Solche Notsignale müssen allerdings nicht zwangsläufig von einem FLUGZEUG kommen, sondern können auch von kleineren Bauteilen abgesondert werden", weiß Preuß.
Und so kreist der Flieger zunächst um den Schrottplatz hinter den Tiedehallen und weitet von dort die Suche über den Norden der Stadt aus. Das Signal ist zwar schwach, aber weiterhin auszumachen.
Der Lärm des Helikopters, die grellen Scheinwerfer und der erhebliche Tiefflug treibt die Bürger auf die Straßen. Vom Rewe-Parkplatz, dem Bereich rund ums Esch, den umliegenden Firmen und Privathäusern beobachten die Menschen den Hubschrauber und wundern sich. Die Spekulationen reichen von »entflohenem Sträfling« über »vermisste Person« und »Flugübungen« bis zu »Kontrollen, wie viele Bäume durch Sturm Friederike umgefallen sind«.
Die Crew kann den Sendebereich schließlich dank eines Ortungsgeräts auf eine Halle im GEWERBEGEBIET Esch eingrenzen und landet den Hubschrauber auf einem nahe gelegenen Acker. Während Pilot Marcus Preuß bei der Maschine bleibt, gehen seine zwei Kameraden mit einem Handpeilgerät zu Fuß weiter und schellen schließlich bei der Firma Fels Haftetiketten.
Jetzt wird die Bundesnetzagentur eingeschaltet
Hier vermuten sie den Auslöser des Signals. Doch obwohl Firmenchef Michael Fels selbst passionierter Flieger ist – ein FLUGZEUG hat er in seinen Hallen nicht stehen. Das erklärt er auch den beiden Bundeswehrkameraden, als sie bei ihm vor der Tür stehen.
„Wir haben geschaut, wo der Ton herkommen kann", beschreibt er. „Gefunden haben wir nichts." Oberleutnant Nadja Meier bestätigt dies. „Es muss aber etwas sein, das auf dieser Frequenz oder nahe dran sendet." Trotzdem sei es natürlich schön, dass es keinen Unfall gegeben habe und niemand verletzt wurde. Man werde nun Kontakt mit der Bundesnetzagentur aufnehmen, die der Sache dann genauer auf den Grund gehen werde.
Es ist kurz vor 13 Uhr, als der Hubschrauber Werther wieder verlässt. Die lange Startprozedur wird von zahlreichen Schaulustigen verfolgt – darunter von Melanie Höhr. Sie wohnt nicht weit entfernt und hat die auffälligen Suchmanöver des Hubschraubers beobachtet. Mit einem ganz außergewöhnlichen Wunsch tritt sie an den Piloten heran: Ob sie ihre beiden riesigen Stoffteddys – Timm und Pimboli – auf die vorderen Sitze setzen und dort fotografieren darf?
Einen von ihnen hat sie schon an vielen Orten dieser Welt in Szene gesetzt, an der Fehmarnsundbrücke, unter einer Drohne, auf einer Hochzeitsfeier, sogar bei einem Urlaub in Brasilien. Und jetzt im Bundeswehrhubschrauber. Major Marcus Preuß hat nichts dagegen, er öffnet die Türen, hilft, die Bären anzuschnallen, Melanie Höhr drückt ab – schon ist das Handyfoto im Kasten.
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