Verrückt, unterhaltsam, phänomenal: Das Hasselhoff-Konzert in Jena
Kultstar David Hasselhoff lässt mit seinen Fans in der Sparkassen-Arena in Jena Jugendträume aufleben – und zeigt Bilder aus dem Jahr 1989.
Jena. Irgendwann geben die Saalordner auf – und den Weg frei. Es sind zu viele Fans, die von den Sitzen aufspringen und Richtung Bühne rennen, um ihm so nahe zu sein wie irgendwie möglich. Ein Foto schießen, ihm zujubeln, ihn vielleicht sogar umarmen. Ihn, den einzig wahren David Hasselhoff. Die Sparkassen-Arena in Jena gleicht an diesem Freitagabend einem Tollhaus und viele der geschätzt 1500 glückseligen Konzertbesucher fragen sich auf dem Heimweg: Was genau habe ich da gerade eigentlich erlebt?
Sie selbst sind Teil der zweieinhalbstündigen Show, liefern ordentlich Stimmung und bieten was fürs Auge. Wobei man besser zweimal hinschaut, um sicherzugehen, dass all dies nicht bloß ein Traum ist. Dutzende Masken-Hasselhoffs sind angereist, eine sonnenbebrillte Männertruppe trägt rosa T-Shirts, „Don‘t hassel the Hoff“ steht vorne drauf. Nein, dem „Hoff“ will an diesem Abend selbstverständlich niemand auf den Senkel gehen. Viel zu ausgelassen ist die Stimmung.
Fünf Frauen wirbeln durcheinander, um die Buchstaben D, A, V, I, D auf ihren Oberteilen in die korrekte Reihenfolge zu bringen. Herzchen inklusive. Hemden mit aufgedrucktem Waschbrettbauch lassen die Plauze so mancher Herren verschwinden, und eine dralle Dame lüpft ihr schwarzes Glitzershirt und steht plötzlich im Badeanzug da. Knallrot, natürlich! Pamela Anderson lässt grüßen.
Doch wer steht dort vorne eigentlich im Rampenlicht? Ein 65-Jähriger, dessen Vorfahren einst aus Deutschland, England und Irland nach Nordamerika auswanderten und der als Sänger mehr Erfolge zwischen Ostsee und Alpen feiern konnte als zwischen Baltimore und San Francisco? Oder ist es Michael Knight, der in der Erfolgsserie „Knight Rider“ mit Lederjacke, stechend blauen Augen und einem sprechenden Auto in den Achtzigerjahren gegen das Unrecht kämpfte? Oder ist es Mitch, der coole Rettungsschwimmer von Malibu, dem in den Neunzigerjahren die Sicherheit der Badegäste ebenso am Herzen lag wie sein durchtrainierter Körper und kalifornische Sonnenuntergänge?
Bei „Looking for Freedom“ gibt’s kein Halten mehr
Hasselhoff wechselt zwischen all den Rollen hin und her und vereint sie auf undurchschaubare Weise gleichermaßen. Er gibt den Discorocker ebenso wie den Schlagersänger, animiert zum Mitsingen von „Country Roads“ und schreckt kurz danach auch vor David Bowies „Heroes“ nicht zurück. Hasselhoff nimmt sich als Unterhaltungskünstler ernst und kann zugleich über sich selber lachen.
Was er oder seine Produzenten sich einst dabei gedacht haben, die an schrägem Kitsch kaum zu übertreffenden Musikvideos zu „Hooked on a Feeling“ und „Do the Limbo Dance“ zu veröffentlichen, mag ihm rückblickend ein Rätsel sein. Dennoch nutzt er sie weiterhin und lässt sie auf den riesigen Videowänden einspielen: der junge Hasselhoff überlebensgroß im Hintergrund, der gealterte Star direkt davor. Und die Besucher singen, jauchzen, tanzen mit.
Hasselhoff im Jahr 2018 ist vor allem eins: Ein Entertainer in überraschend toller Form, dem es gelingt, seine Fans von den ersten Sekunden des Konzertes an mit auf Reisen zu nehmen – in ihre Jugend, an ferne Strände, ins Abenteuer. Und dank ausgefeilter Lichttechnik mit hinein ins große Showgeschäft. Hollywood, Las Vegas, Jena-Burgau!
David Hasselhoff in Hof kurzzeitig in Handschellen abgeführt
David Hasselhoff steht bei Schleiz auf der A9 im Stau
In der allerersten Reihe vor der Bühne sitzen Mutter Sabine und Tochter Jessica, die eine 60, die andere 30 Jahre jünger. Ungefähr, denn Zeit und Alter spielen an diesem Abend keine Rolle. „Damals hatten wir einen Fernseher im Haus und die ganze Familie hat zusammen ‚Knight Rider‘ geschaut“, erzählt Sabine. Kurz darauf dann „Baywatch“. Mit weitreichenden Folgen. „Seit dieser Serie warte ich vergeblich auf einen Mann, der einen so toll aus dem Wasser ziehen kann wie Hasselhoff“, scherzt Jessica. „Aber leider liegt Thüringen nicht am Meer.“
Wenig später schlendert der knapp zwei Meter große Hüne singend neben ihnen durch die Reihen – und so manche Konzertbesucherin denkt sehnsuchtsvoll zurück ans Jugendzimmer, dessen Wände mit Hasselhoff-Postern dekoriert waren.
Dann, ganz zum Schluss der ausgelassenen Party, erklingt endlich der Hit, dessen 30-jähriger Geburtstag ausschlaggebend war für die aktuelle Tour, die Anfang Mai mit Konzerten in Wien und Linz enden wird. Bei „Looking for Freedom“ gibt’s kein Halten mehr.
Hasselhoff trägt wie einst am Brandenburger Tor die mit Blinklichtern bestückte schwarze Jacke und auch der Schal mit Klaviertastaturmuster fehlt nicht. Seine neunköpfige Begleitband, die professionell agierenden United Friends aus Deutschland, dreht noch mal richtig auf, und die Fans feiern den gemeinsamen Augenblick mit einem vor Freude über den lauten Jubel strahlenden Hasselhoff.
Das Gerücht, er habe mit dem Song, der eigentlich den uramerikanischen Traum von der Suche nach Freiheit zum Thema hat, die Berliner Mauer zu Fall gebracht, hat er schon vor Jahren ins Reich der Legenden verwiesen. Er selbst habe dies nie behauptet. Dass er aber zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, beweisen nicht nur die Bilder von 1989, sondern auch die Erinnerungen, die seine Fans in Deutschland mit dem Klassiker verbinden. Beim Konzert in Jena wurden sie lebendig.
Verrückt, phänomenal, einfach unterhaltsam – so fällt das Fazit vieler aus, die abends gut gelaunt den Heimweg antreten. Sie haben Hasselhoff gesehen! Und nicht nur ihn. Denn eine anderer Star blieb den gesamten Abend lang zwar draußen stehen, verlieh der eher schmucklosen Mehrzweckhalle aber einen besonderen Glanz: K.I.T.T., der schwarze Pontiac Firebird Trans Am, der an diesem Abend mindestens genauso oft fotografiert wurde wie Hasselhoff selbst.
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